Unscheinbar war er bis jetzt und fast alle Bludenzer*innen fahren oder laufen täglich unbedacht daran vorbei, am Parkplatz an der Hermann-Sanderstraße. Die beiden massiven Betonsäulen bemerkt im Alltag dabei kaum jemand. Am letzten Freitag wurde genau dieser Ort zum Mittelpunkt der Kunstszene.
Sogar die Herbstsonne zeigte sich pünktlich zur Vernissage und strahlte mit den Anwesenden um die Wette, als das Gemeinschaftsprojekt „Betonsonne“ der Stadt Bludenz mit der Bildenden Künstlerin Christine Lederer feierlich eingeweiht wurde.
Der öffentliche Raum als Begegnungsort stand im Mittelpunkt: Unter einer Brücke, einem einst rauen Un-Ort, verwandelten pastellfarbene Töne die massiven Betonsäulen der Straße nach Bürs in eine poetische Landschaft. Lederers Worte schaffen eine Verbindung zwischen Sichtbarkeit und Identität.
Jeder Brückenpfeiler ist mit zwei poetischen Einheiten – auf der Vorder- und Rückseite – versehen. Zwischen Beton, Verkehr und Alltag treten Worte in Erscheinung. An den Brückenpfeilern entfalten sich poetische Zeilen. Sie stehen still im urbanen Raum und sprechen leise von etwas Großem.
„Die Zeilen sind geschrieben für diesen Ort, den Bludenzer*innen meist zu einem Zweck passieren. Sie laufen daran vorbei. Die Sprache verwandelt die rohen Betonsäulen in poetische Trägerinnen von Emotion, Identität und Erinnerung“, unterstreicht Kulturstadtrat Cenk Dogan die künstlerische Bedeutung des Projektes „Betonsonne“.
Zwei Pfeiler – vier Texte
Zwei Texte bewohnen eine Säule. Gemeinsam bilden sie ein stilles Narrativ: Von der Kraft menschlicher Verbindung, vom Mut, sich selbst zu behaupten, und von der Zärtlichkeit, mit der Schmerz vergehen darf. Die Worte können im Vorübergehen entdeckt oder bewusst wahrgenommen werden. Dabei wird der Stadtraum selbst zum poetischen Körper: Brücke als Symbol der Verbindung, Pfeiler als Stütze, Beton als Träger von Erinnerung.
„Die Zeilen auf den Säulen sind eine Liebeserklärung an mein Gegenüber, an die Passant*in. Sie erzählen vom Hoffnungsvollen im Miteinander und sollen Mut machen. Diese Brückenpfeiler tragen still Verantwortung, wie so viele von uns auch. (Menschen, die in der Care-Arbeit arbeiten, Mütter …). Davon soll der Un-Ort in aller Sanftheit und Stille erzählen“, betont die Künstlerin Christine Lederer.
Die Umsetzung des Projekts war das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen der Künstlerin und der Stadt Bludenz. Über rund zwei Jahre entstanden Entwürfe, deren Machbarkeit und Genehmigungen zentrale Herausforderungen blieben. Auf der Homepage der Stadt Bludenz finden Sie weitere Infos zum Schaffensprozess sowie detaillierte Informationen und Erklärungen zum Projekt unter www.bludenz.at/kultur-events-tourismus/betonsonne-kunst-unter-der-bruecke.
Die Veranstaltung zeigte deutlich, wie Kunst im öffentlichen Raum den Alltag sichtbar bereichern und zur Reflexion anregen kann.
Das Programm des Abends bot eine gelungene Mischung aus Lesungen, Musik, Performance und Begegnung: Lesungen von Judith Batlogg, Lorenz Helfer und Christine Lederer sowie musikalische Beiträge von Reinold Capelli & Thomas Heel („Gebläse“) rissen die Gäste mit. Zudem begeisterte der Fierobad Jazz mit Ossi Weber und Special Guests das Publikum und trug zur festlichen Stimmung bei.
Foto 1: von links nach rechts: Reinhold Capelli, Thomas Heel, Lorenz Helfer, Christine Lederer, Cenk Dogan, Judith Batlogg.
Foto 2-3: Die Vernissage des Projektes „Betonsonne“
Foto 4: Reinhold Capelli und Thomas Heel
Fotos: © Stadt Bludenz
Weitere Informationen zum Projekt finden sie hier