Aus Anlass des Jahrestages der Novemberpogrome am 8. November 1938 widmete sich der letzte Veranstaltungsabend in der Zeitgeschichte-Vortragsreihe 2025, organisiert von Stadtlabor Bludenz und Geschichtsverein Region Bludenz, diesem Thema gleich mit drei Programmpunkten.
Zunächst berichtete Raphael Einetter über die jüngst im Rahmen des Projekts „Über die Grenze“ aufgestellten Gedenksteine. Zuerst erinnerte er an das Ehepaar Emmy und Michael Schnebel, die aus Garmisch-Partenkirchen vertrieben wurden und über Feldkirch in die Schweiz ausreisen wollten, was untersagt wurde, worauf das Ehepaar keinen anderen Ausweg sah als den gemeinsamen Freitod. Ähnlich tragisch war das Schicksal zweier 16-Jähriger: Hanns-Gerd Schünzel und Claus Magen versuchten, mit einem Ruderboot über den Bodensee zu fliehen. Sie wurden verhaftet aber in die „Freiheit“ entlassen, was sie nicht als solche empfanden. Schünzel wurde eingezogen und beging 1942 an der Front Selbstmord, Magen wurde im April 1942 bei einem Fluchtversuch in Lörrach gefasst und gelangte über das Gefängnis in Leipzig nach Auschwitz, wo er im August getötet wurde. Auch die Schwestern Martha und Elisabeth Nehab scheiterten bei ihrem Fluchtversuch über den Sarotlapass in die Schweiz und erhängten sich in der Haft.
Im zweiten Teil stellte Dominik Markl die schier unglaubliche Lebensgeschichte der polnischen Jüdin Leokadia Justman vor. Die intelligente junge Frau durchschaute Menschen stets ganz genau und konnte 1943 durch Helfer zusammen mit acht weiteren Personen dem Warschauer Ghetto entkommen. Über München und Seefeld gelangte sie nach Innsbruck, wo sie verhaftet wurde, durch eine mutige Flucht aber der Deportation nach Auschwitz entging und den Krieg überlebte. Unmittelbar danach schrieb sie ihre Erinnerungen exakt auf. Später wurden sie unter dem Titel „Ave Pax“ auf 500 Seiten herausgegeben und bildeten die Basis für das kürzlich erschienene Buch „Brechen wir aus!“.
Im letzten Teil des Abends, der von Historiker Christof Thöni moderiert wurde, kam der Zeitzeuge Joop Caneel zu Wort. Der Niederländer, Jahrgang 1939, berichtete darüber, wie er mit viel Glück als Kind die deutsche Besatzungszeit überlebte. 1943 entging er nach drei Verhaftungen nur knapp der Deportation nach Polen, zuletzt weil seine Mutter, aufgefordert von einem mutigen Helfer, vor dem Einsteigen in den Zug eine Ohnmacht simulierte. Seine Eltern lebten fast zwei Jahre im Untergrund, während er als Kind zu einer Pflegefamilie auf dem Land gebracht wurde, wo er seine jüdische Herkunft verbergen musste. Auch die Eltern überlebten, und so kam es noch 1945 durch einen Onkel zum Wiedersehen.
Die Tatsache, dass er den Holocaust überlebte, veranlasste Joop Caneel nach Jahren des Schweigens, über diese Ereignisse in die Offensive zu gehen und als Zeitzeuge zur Verfügung zu stehen. Er sieht sich als Warner, dass solche Dinge nie wieder geschehen mögen. Die Betroffenheit der Besucher angesichts der tragischen Geschichten war angesichts bedrückender Stille nach den zweistündigen Ausführungen greifbar.














